Dr. Abdullah Karl Eduard Hammerschmidt, der österreichisch-muslimische Begründer des Roten Halbmondes – ein biographischer Abriss

Gernot Galib Stanfel

Der Weg zum  Wissenschaftler[1]

Karl Eduard Hammerschmidt wurde am 12. Juni 1801 in Wien, als Sohn des Magistratsbeamten Anton Hammerschmidt geboren. 1820 begann er Rechtswissenschaften zu studieren, die er 1826 abschloss. Außerdem soll er sich nebenbei auch mit naturwissenschaftlichen Fächern beschäftigt haben, worüber es aber keinen nachweislichen Abschluss gibt. Diesen gibt es auch nicht über das Studium der Medizin, möglicherweise erhielt er eine Ausbildung am Josephinum in Wien. Nachweislich als Doktor wird er in Aufzeichnungen des Innenministeriums geführt, und zwar sowohl als einer der Juristerei, als auch der Medizin. Da damals mit der Beschäftigung der Naturwissenschaften nicht das tägliche Einkommen garantiert war, dürfte seine erstes Studium der Jurisprudenz, sein großes Interesse aber den Naturwissenschaften gegolten haben. Er publizierte in Folge entomologische Arbeiten und legte auch bedeutende Sammlungen darüber an. Unter anderem organisierte er auch die Insektensammlung der Habsburger Erzherzöge Albrecht, Karl-Ferdinand und Wilhelm. Neben den Insekten beschäftigte er sich unter Anderem auch mit der geographischen Verbreitung von Säugetieren, essbaren und schädlichen Schwämmen in Österreich, Mineralogie und Fossilienfunden, der bildlichen Darstellung von mikroskopischen Gegenständen und der korrekten Behandlung von Versuchstieren. Seit 1835 war er auch Herausgeber der „Landwirtschaftlichen Zeitung“

In Anerkennung seiner naturwissenschaftlichen Leistungen wurde er am 3. August 1833 in die Kasiserliche-Leopoldinische- Akademie der Naturforscher in Bonn aufgenommen. Weiters war er seit 7. Oktober 1846 Mitglied der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt, und in Folge auch Mitglied der königlichen entomologischen Gesellschaft in London.

Pionier der Narkose[2]

Hammerschmidt war einer der ersten in Österreich und in Europa, der sich mit Narkose aus wissenschaftlicher Sicht auseinandersetze. Im Februar 1847 erschien sein erster Bericht über Versuche mit der Narkotisierung mit Äther, denen bis 11. März 1848 weiter Veröffentlichungen zu diesem Thema folgten. Er führte dazu zahlreiche Versuche an Tieren, 200 an sich selbst und an 600 Personen ohne Operationen durch. In Zusammenarbeit mit dem Zahnarzt Dr. J. Weigert protokollierte er 1560 Operationen mittels Äthernarkose. Er stellte fest, dass das Hörvermögen während der Äthernarkose weitgehend erhalten bleibt, sowie dass die Äthernarkose allgemein vorteilhafter, mit weniger Nebenwirkungen und Gefahren, als die damals favorisierte Narkose Mittels Chloroform, behaftet ist. Die Erkenntnis, dass Chloroform als Narkosemittel eine statistisch viermal höhere Sterblichkeitsrate als Äther hervorruft, wurde erst 1892 von E. J. Gurl bestätigt. Die bei Hammerschmidts Versuchen erstmalig erarbeitete Einteilung in Narkosestadien sowie eines statistisch verwertbaren Narkoseprotokolls für Patienten, sind in der heutigen Medizin Standard. 

Der Revolutionär

Durch die Tätigkeit Hammerschidts als Zeitungsherausgeber geriet er immer wieder in Konflikt mit der in der damaligen Zeit des Metternichschen Vormärz herrschenden Zensur, wobei er einen gewissen Schutz durch seine Tätigkeiten in der Herrscherfamilie genoss. Trotzdem überwarf er sich offensichtlich mit bestimmten Beamten, auch wurde seine Kritik immer heftiger und er scheute auch nicht davor zurück diese offensichtlich zu provozieren. Der Höhepunkt seiner Auseinandersetzungen war die Kritik an der geplanten Errichtung eines „Kaiser Franz Denkmal“ und die Beschwerde über Verzögerungen durch die Zensurbeamten, worauf diese sich rechtfertigen mussten.[3]

Als im März 1848 in Österreich die Bürgerliche Revolution ausbrach, wurde er, laut Aufzeichnungen des Innenministeriums, zu einem der heftigsten Gegner der Regierung.[4] In Folge wurde er 1849 als einer der führenden Köpfe des Oktoberaufstandes von 1848  zu einer 12 jährigen Festungshaft verurteilt, was unter den damaligen Haftbedingungen mit großer Wahrscheinlichkeit einem Todesurteil gleichgekommen wäre. In Folge begab sich Hammerschmidt zunächst nach Ungarn, wo er unter General Jozef Bem auf Seiten der ungarischen Revolution gegen Österreich kämpfte. Nach Gefechten in Siebenbürgen wurde diese Einheit über die Grenze ins Osmanische Reich abgedrängt, wo sie, wie auch der Führer der Revolution, Lajos Kosshut, Asyl bekamen. Hammerschmidt ging nach Istanbul, wo er im Gülhane Krankenhaus als Spitalsarzt zu arbeiten begann. Auch erhielt er eine Lehrtätigkeit an der dortigen Medizinschule. Nach der Niederschlagung der Revolutionen in Österreich und in Ungarn verlangte die Regierung in Wien die Auslieferung der ins Osmanische Reich geflüchteten Revolutionäre, was aber dessen Regierung in Istanbul verweigerte. 

Osmanischer Beamter

Immerhin konnten die Österreicher erwirken, dass die Asylanten aus der Habsburgermonarchie im Osmanischen Reich unter Beobachtung gestellt wurden und sie sich nicht zu nahe der Grenze zu ihrer alten Heimat aufhalten durften. Die betroffenen Personen sollten in ein Art Anhaltelager nach Aleppo gebracht werden, was aber offensichtlich nicht sehr streng gehandhabt wurde, da die Österreichische Inuntiatur 1850 vermeldete, dass der Renegant Hammerschmidt als Spitalsarzt in Damaskus tätig sei[5]. Er muss also in der Zeit den Islam angenommen haben und damit auch den Namen „Abdullah“. In Folge ist er im osmanischen Kontext, in dem es keine Familiennamen gab,  als Abdullah Bey– Herr Abdullah,  geführt. Die Konversion zum Islam war offensichtlich für die ehemaligen Revolutionäre eine aussichtsreiche Perspektive, denn auch sein Kampfgefährte Bem vollzog diesen Schritt, nahm den Namen Murat an und stieg in der osmanischen Hirarchie zum Pascha auf, er verstarb 1855 in Aleppo. 

Auch Hammerschmidt machte Karriere im Osmanischen Staat, 1853 – 1856 diente er im Rang eines Miralay  – Oberst  in der Osmanischen Armee, möglicherweise zusätzlich davon motiviert, dass der Kriegsgegner Russland auch die entscheidende Unterstützung in der blutigen Niederschlagung der ungarischen Revolution geleistet hatte. Die offizielle Benennung Hammerschmidts Dr. Marcali Miralay Abdullah Bey – Dr. Ungarischer Oberst Herr Abdullah spiegelt die bisherige so abenteuerliche Lebensgeschichte Hammerschmidts wieder.

Gründung des Roten Halbmondes

Eine direkte Folge der Krimkriege, die als eine der ersten Stellungskriege mit besonders vielen Opfern gelten, war, dass man im Osmanischen Reich beschloss, um zukünftig die Sanitätseinheiten vor allem für Muslime besser zum Einsatz bringen zu können, ein Pendant zum 1859 gegründeten Roten Kreuz zu gründen, das aber mit Muslimen vertrauten Symbolen arbeiten sollte. Das Osmanische Reich ernannte Abdullah Hammerschmidt zum seinem Vertreter beim Komitee des Internationalen Roten Kreuzes in Genf und als dieser wurde er bei den  Sitzungen dort, zur Gründung einer entsprechende Organisation beauftragt.  So war er die entscheidende Person im Dreierkommitee zusammen mit Dr. Kirimli Aziz Bey und dem gebürtigen Italiener Dr. Marko Pasa, als am 14. Juni 1869 der Rote Halbmond in Istanbul gegründet wurde.

Angesehener Wissenschafter

Bei der Weltausstellung 1867 erhielt er auf der Weltausstellung in Paris für seine entomologische Sammlung, die dort ausgestellt wurde, die Goldmedaille verliehen, was seinen Bekanntheitsgrad schlagartig erhöhte. Auch Österreich, dass das Interesse an seinem ehemaligen verfolgten Revolutionär schon kurz nach den Ereignissen von 1884 und im Zuge des Krimkrieges verloren hatte, ehrte ihn in Folge mit der goldenen Medaille für Wissenschaft und dem Komturkreuz des Franz Joseph Ordens.[6] Nun war es auch möglich, dass Abdullah Hammerschmidt bei der Weltausstellung 1873  als Osmanischer Kommissar wieder in seine Heimatstadt Wien kam. Im selben Jahr wurde er auch Professor für Geologie, Mineralogie und Zoologie an der Medizinischen Fakultät in Istanbul. Er begründete für diese Institution auch das Naturhistorische Museum und verfasste mehrere zoologische und geologische Lehrbücher. Sein naturwissenschaftliches Interesse widmete sich der Erforschung von Fauna und Geologie des Bosporusgebietes, über das er wertvolle Erkenntnisse lieferte. Ein von ihm entdecktes und beschriebenes Fossil erhielt nach ihm die Bezeichnung Crypheaus abdullah.[7]

Nach der Rückkehr von geologischen Untersuchungen für den Bau der Eisenbahnlinie Üsküdar- Izmit verstarb Dr. Abdullah Karl Hammerschmidt am 30 August 1874. Bezeichnend für sein der Wahrheit und der Wissenschaft gewidmetes Leben scheint zu sein, dass  er  am Friedhof der Defterdar Moschee im Istanbuler Stadteil Eyüp, das einem Gefährten der nach einem Gefährten des Propheten Mohammed benannt und der wichtigste islamsich- religiöse Bezirk Istanbuls ist,  begraben wurde.[8] Diese 1542 von Mimar Sinan, der möglicherweise in der Steiermark geboren wurde,  errichtete Moschee, hat als Kuppelbekrönung nicht den üblichen Halbmond, sondern, um die Bedeutung der Wissenschaft und der Bildung in der islamischen Religion hervorzuheben, eine Schreibfeder mit Tintenfass an dieser Stelle. So kommen in seiner letzten Ruhestätte Österreich, seine selbstgewählte Religion und die Wissenschaft noch einmal in besonderer Art zusammen, auch was das Wissen um seine Person im heutigen Österreich, der Türkei und der islamisch geprägten Welt, für die er deren größte Hilfsorganisation gegründet hat, betrifft:  Das Grab Hammerschmidts auf diesem Friedhof ist heute nicht mehr bekannt.

In Österreich  wurde 2008 die Islamische Fachschule für Soziale Bildung der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Wien 7 zusätzlich in Dr. Abdullah Karl Hammerschmidt Schule umbenannt

Quellen:

Karl E. Hammerschmidt Humanist, Naturwissenschaftler und NarkosepionierW. F. ListA. KernbauerT. Kenner; Der Anaesthesist, Springer 1998 

Islamische Zeitung 18. 6. 2008, IZ Medinverlag GmbH Berlin

http://www.dogatarihi.net/karl-eduard-hammerschmidt


[1][2]Karl E. Hammerschmidt Humanist, Naturwissenschaftler und NarkosepionierW. F. ListA. KernbauerT. Kenner; Der Anaesthesist, Springer 1998 

[3][4][5]Karl E. Hammerschmidt Humanist, Naturwissenschaftler und NarkosepionierW. F. ListA. KernbauerT. Kenner; Der Anaesthesist, Springer 1998 

[6]Karl E. Hammerschmidt Humanist, Naturwissenschaftler und NarkosepionierW. F. ListA. KernbauerT. Kenner; Der Anaesthesist, Springer 1998 

[7][8]http://www.dogatarihi.net/karl-eduard-hammerschmid